Wie ich meine alten Lehrbücher aussortiert habe (und gerade eben sogar meinen größten Erinnerungs-Schatz an Uni-Zeiten!)

Wenn etwas schwer auszusortieren ist, hilft es, herauszufinden: Warum finde ich es schwierig? Was fühle ich genau? So können wir der Sache auf den Grund gehen, die Gefühle durchfühlen und richtig viel über uns selbst lernen. Ja, und am Ende auch das Loslassen schaffen.

So hab ich meine alten Lehrbücher entsorgt

Der Stapel ist schwer in meinen Armen. Ich hebe meine alten Lehrbücher aus Studienzeiten mühsam über die Kante des Containers. Mein Herz klopft. Ich will nicht! Doch, ich will.

Ich hole tief Luft, schließe die Augen und lasse die Bücher los.

Und jetzt schnell weg hier. Meine Kollegen, die mit mir auf dem Weg zur Kantine sind und mir beim Tragen geholfen haben, werfen mir wissende Blicke zu. Ich nehme an, sie kennen das Gefühl.

Das war vor ein paar Jahren. Die Bücher standen schon damals ewig nicht mehr bei mir zuhause, sondern im Büro im Regal. Reingeschaut hatte ich nicht mehr – oder nur sehr selten.

Dann wurde im Büro umgebaut, alle bekamen „Shared desks“. Eigenes Bücherregal adé – ich musste aussortieren.

Klar, ich hätte die Bücher wieder mit nach Hause nehmen können. Aber da wollte ich sie nicht haben, das habe ich gemerkt. Zum Glück habe ich kapiert, was das heißt: Ich wollte die Bücher nicht mehr.

Trotzdem war es superschwer, sie in die Tonne fallen zu lassen.

Komisch eigentlich! Denn mir war klar:

Die Bücher waren aus meinem Studium, das damals schon seit über 15 Jahren beendet war. Ich hatte sie genauso lange nicht mehr aufgeklappt. Sie waren voller Notizen und Unterstreichungen aus Lernzeiten und deshalb keinesfalls verkaufbar. Außerdem waren sie total veraltet – und hätten somit noch nicht mal geschenkt irgendwem weiterhelfen können.

Trotzdem: Was hab ich natürlich sofort gedacht, als die Bücher in der Tonne lagen?

„OHMEINGOTTWASISTWENNICHMALWASNACHSCHLAGENMUSSDANNHABICHDIEBÜCHERNICHTMEHRUNDWASDANNICHSOLLTESIELIEBERBEHALTENFÜRALLEFÄLLE!!!!!!!“ 😳😳😳😳😳

Tja, so ticken wir dann nämlich. Es ist immer das Gleiche.

Beim Ausmisten haben wir es eben nicht „nur“ mit Dingen zu tun. Sondern vor allem mit Gefühlen – Ängsten zum Beispiel. Wir wissen, dass wir das Dings nicht mehr brauchen und nicht mehr wollen – und können es doch nicht gehen lassen.

Falls dir das mal so geht – sieh es positiv. Sieh es als Chance, dich mit den aufploppenden Gefühlen zu beschäftigen. Fühl sie durch, nimm dir die Zeit. Du kannst nur gewinnen – vor allem jede Menge über dich lernen und dich im Loslassen üben.

Bei mir hat diese Schwierigkeit mit dem Abschied von längst vergangenen Lebensabschnitten zu tun, die nicht zurückkommen. Ich werde da immer wehmütig. Und habe vielleicht auch Angst, Erinnerungen zu verlieren.

Mittlerweile weiß ich aber (weil ich es vielfach selbst erlebt habe):

Auch wenn der Schrecken an der Tonne groß ist: Wehmut geht vorbei. Und all die schönen Erinnerungen sind morgen noch da.

Das Käffchen im Café (heiße Zitrone bei Erkältung), gemeinsame Lern-Aufschieberitis im Bib-Foyer, alberne Insider-Witze, verquatschte Lerngruppen, das Lachen, die kleine Studi-Wohnung in orange-rot-gold – all das hab ich in Herz und Hirn gespeichert, nicht in meinen veralteten Büchern.

Es ist gut, sie gehen zu lassen. Die Bücher und die alten Zeiten.

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Extrem-Problem endlich gelöst: Meine Karteikarten aus dem Studium

Kein Witz: Eben – ja, eben gerade – war ich draußen und habe endlich, endlich meine alten Lern-Karteikarten aus dem Studium entsorgt. Auch die stehen seit Ewigkeiten auf der „Können-eigentlich-ja-weg-Liste“. Trotzdem haben sie die Bücher um Jahre überlebt.

Lange, lange habe ich gehadert und zwei proppevolle Schuhkartons mit hunderten von Karten standen immer noch im Keller. Heute hab ich es endlich geschafft. Und es fühlt sich genauso beängstigend an wie damals die Bücher. Eher noch ein bisschen schlimmer.

Was ist das Problem?

Anders als bei Lehrbüchern, von denen ich mir bei Bedarf eine neue Auflage kaufen könnte, sind diese Karteikarten absolute Unikate: In jahrelanger Arbeit von mir handgeschrieben aus mühsam erarbeitetem Lernstoff. Mein bester Versuch, mir das massenhafte Wissen möglichst effektiv reinzuballern und es dann, ebenfalls mit den Karten, systematisch zu wiederholen, bis ich es hoffentlich in genau den zwei Wochen meines Lebens, die „Examenswochen“ hießen, abrufen konnte. (Mann-mann-mann, das waren Zeiten. Eigentlich komisch, dass die in der Erinnerung so vergoldet sind.)

Das hat gut funktioniert: Examen bestanden und noch Jahre danach wusste ich, wie welche Schaubilder zu welchen Themen aussahen oder welche Farbe die Karte dazu hatte. Viele Sachen konnte ich noch lange auswendig.

Deshalb hatte ich anscheinend eine sehr gute Ausrede, die Karten jahrelang nicht auszusortieren: „Ich kann mir damit Wissen viel besser als mit einem Buch in Erinnerung rufen, weil es ja meine Karten sind!“

Eigentlich war es aber natürlich auch hier nur die Angst. Wie die Bücher stehen die Karten ja für die Erinnerung an die Studi-Lern-Zeit. Aber es war noch beängstigender, sie loszuwerden, denn sie sind unersetzlich.

Und so habe ich tatsächlich diese Karten 17 (!) Jahre nach meinem letzten Examen aufbewahrt.

Ja, ich hab mal was drin nachgeschlagen. Vielleicht fünf Mal in dieser Zeit? Seien wir ehrlich, die Info hätte ich auch woanders herbekommen.

Denn auch auf die Karten trifft zu, was für die Bücher gilt. Sie sind veraltet, ich brauche sie nicht mehr, habe sie seit Jahren nicht wirklich benutzt, für niemand anderen können sie hilfreich sein.

Da mir das Aussortieren so schwer fiel, habe ich letztendlich einen klassischen Ausmist-Trick benutzt. Vor ungefähr einem Jahr, als die Karten mir mal wieder beim Aussortieren begegnet sind, habe ich entschieden: Ich stell sie hier in die Ecke, und wenn ich sie ein Jahr lang nicht benutze, kommen sie weg. Der entsprechende Termin kam in den Kalender.

Das Jahr ist rum, ich hab sie (natürlich) nicht benutzt, nun sind sie weg.

Die Erinnerungen sind noch da.

Hach. Schön.

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Aber warum nicht behalten?

Du fragst dich jetzt vielleicht, wieso ich Bücher und Karten nicht einfach behalten habe. Wo sich doch offensichtlich so einiges in mir gegen das Entsorgen sträubte.

Klar, du kannst zu dem Schluss kommen, dass du dieses oder jenes Dings behalten willst und das dann auch tun und das kann dann auch die genau richtige Entscheidung sein.

Der wichtige Punkt liegt darin, wirklich herauszufinden, was los ist.

Willst du dein Lernmaterial wirklich, wirklich behalten? Weil dein Leben mit ihm deutlich besser ist als ohne? Dann wird es dein Leben auch weiterhin bereichern und es ist gut, es zu behalten.

Oder hast du eigentlich den Wunsch, ohne diese Sachen weiterzuziehen (zum Beispiel weil du dich aus vielen guten Gründen für weniger Besitz entschieden hast), dir stehen aber noch Angst und Co im Weg? Dann wäre es pure Aufschieberei und Wegguckerei von den Gefühlen, die da gefühlt werden wollen und auf Dauer rein gar nicht hilfreich. Denn du hättest weiter die Nachteile von zu viel unwichtigem Kram.

Finde das ehrlich heraus, dann kannst du aktiv über Gehenlassen oder Behalten entscheiden. Und dann wird die Entscheidung richtig sein, auch wenn das Gehenlassen schwierig bleibt. (Natürlich kann das ehrliche Herausfinden dauern, siehe oben. Aber das macht ja nichts.)

Es gibt ja sogar Zwischenwege für die ganz schwierigen Fälle. Du könntest z.B. einen „Stellvertreter“ als Erinnerung behalten (ob ich wohl nochmal rausgehe und mir 10 Karteikarten für meine Erinnerungskiste hole…?).

Danke für deine Zeit!

Haderst du auch mit dem Weggeben von alten Studienbüchern und Co? Schreib mir doch mal einen Kommentar, ich freu mich!

Deine Birte

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4 Gedanken zu „Wie ich meine alten Lehrbücher aussortiert habe (und gerade eben sogar meinen größten Erinnerungs-Schatz an Uni-Zeiten!)“

  1. Hi Birte,
    ich habe nur wenige Probleme mit Ausmisten, mache es regelmäßig zweimal im Jahr. Und wenn ich etwas Neues anschaffe, dann muss was Altes dafür gehen. Vor ungefähr 6 Jahren kamen meine Umzugskisten aus Deutschland hier in Spanien an, es waren genau 12, d.h. 12 Kisten waren von mehr als 60 Jahren Leben übrig geblieben. Nicht, dass mir irgendwelche Gegenstände oder Bücher oder alte Arbeiten sonderlich gefehlt hätten, es stand nur plötzlich die Frage im Raum: Was bleibt überhaupt? Liebe Grüße, Ramona

    Antworten
    • Liebe Ramona – es tut mir leid, dass ich so spät antworte. Ich finde es super, dass du deine Besitztümer in so kleinem Rahmen hältst und es dir auf jeden Fall ausreicht. Die Frage „was bleibt überhaupt?“ finde ich interessant. Ich habe sie mir mal in der Form „wäre es nicht schön, wenn die Kinder sehen könnten, was ich in der 7. Klasse alles gemalt habe?“ gestellt. Natürlich ist die Fragestellung etwas anders, aber ähnlich schon.
      Ich denke die Erinnerungen ans eigene Leben oder an andere Menschen ist und bleibt in uns, nicht in den Dingen. Natürlich können Dinge Erinnerungen wieder aufrufen, aber vergessen werden wir die wichtigen Sachen nicht. Man kann ja auch Platzhalter behalten, also exemplarische Einzelstücke, wenn man sich unsicher ist.
      Liebe Grüße Birte

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  2. Minimalismus bleibt eine schwierige Sache, Birte. Ich bemühe mich seit der Trennung von meiner Frau, weil es mir ein Bedürfnis ist. Die Trennung war ja auch ein echt minimalistischer Akt 😉 Spaß beiseite. Habe immer noch 22 Hemden im Schrank. Als Mann kommt’s im Büro nun mal auf die Hemden an! Aber mich erschlägt der Anblick jedes Mal. Ein Freund, Lehrer, hat zwei Hemden. Seine Schüler/Kollegen, selbst die Damen, tolerieren das, finden auch die Lotterjeans geil. Ich finde das, auch privat, nicht geil. Aber er ist mit seinen zwei Hemden und den Lotterjeans zufrieden.
    Und ich bin unzufrieden.
    Ach so, 12 Krawatten hab ich auch noch …

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    • Hallo – und bitte entschuldige die unheimlich späte Antwort.
      Wenn es dir wichtig ist, viele Hemden zu haben, weil du dich damit in deinem Beruf wohler fühlst – dann ist es ja vielleicht einfach nichts, ausgerechnet diese auszusortieren?
      Ich denke zwar, dass doch allgemein seitens Kollegen und Vorgesetzter weniger als man denkt drauf geachtet wird, was man anhat (und noch weniger, wann man es zuletzt an hatte und wie viele Hemden man so hat), aber man soll sich ja auch wohlfühlen. Und es ist ein Weg. Vielleicht siehst du es irgendwann anders und die „Entscheidungswaage“ kippt in Richtung „doch weniger Hemden haben“.
      Aber ja, es bleibt eine schwierige Sache. Gut, wenn man nicht vergisst, dass es auch individuell ist und man seine Minimalismus-Regeln selbst bestimmt. 🙂
      Alles Gute dir!

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